Bei den Vorbereitungen des großen Jubiläumstreffens wurde bereits vor Jahren nach einem Leitmotiv für dieses große Lager gesucht. Einer der stärker diskutierten Vorschläge lautete „Wanderer zwischen den Welten“, angelehnt unter anderem an den Titel eines Buchs von Walter Flex: Der Wanderer zwischen beiden Welten, Ein Kriegserlebnis. Wie bei vielen anderen Gelegenheiten zeigte sich auch hier die beträchtliche Verschiedenheit der Meißnerbünde. Während einige diesen Titel auch wegen seines historischen Bezuges zum alten Wandervogel in die engere Wahl ziehen wollten, lehnten andere ihn kategorisch als kriegsverherrlichend ab. So konnte diese Idee keinen Konsens finden.
Grund genug, sich diesen Wanderer einmal näher anzuschauen. Und wo anders als im Ostforum mit seinem Leitmotiv „Über Grenzen“? Ohne Zweifel überschreitet Flex‘ Buch Grenzen. Für manche solche des guten Geschmacks – für andere die der Toleranz. Für einige solche der Zeit. Für wieder andere wohl auch schlicht die des Vorstellbaren. Doch vor einem solchen Urteil sollte die eigene Beschäftigung mit dem Text stehen. Aus dem gut hundertseitigen Werk wurden viele kleine Abschnitte ausgesucht, um die Erzählung für ein rund zweistündiges Gespräch zu komprimieren und dabei trotzdem ihren weiten Bogen erlebbar zu halten.
Wie im Ostforum üblich wurde die AG erst bei einem Forumstreffen erprobt, dann auf dem Meißnerlager durchgeführt. Hierbei bestätigte sich, wie unterschiedlich jenes Büchlein wahrgenommen werden kann. Bei der einen Besprechung rückte der Wunsch der Protagonisten, inmitten des Krieges Kulturelles und Besinnliches nicht aus den Augen zu verlieren, sowie die enge persönliche, auch erotisch unterlegte Bindung zwischen Walter Flex und seinem Kameraden Ernst Wurche in den Vordergrund. Die andere Debatte konzentrierte sich bald auf den politischen Standpunkt von Werk und Autor, dessen Kriegspatriotismus und kampfesrühmende Dichterworte eine schlimme Nachwirkung bis in den Zweiten Weltkrieg hinein entfaltet haben. Zwei Diskussionen über den gleichen Text – und doch wirkte es, als sei über gänzlich verschiedene Bücher gesprochen worden. Am Ende ist es also wohl Auslegungssache, welche der „beiden Welten“ für die wichtigere, dominierende gehalten wird. Darin wie vielseitig sein Werk verstanden werden kann, zeigt Flex sich als ein bedeutender Literat.
Eingerahmt wurden die Gespräche von zwei flexschen Liedern: Bis heute in der Jugendbewegung erstaunlich verbreitet sind die auch im Wanderer erzählten, für viele kriegslüstern anmutenden, von manchen anderen dagegen als trauervoll verstandenen Wildgänse. Doch ebenfalls von Walter Flex stammt auch das ebenso bekannte Durch die morgenroten Scheiben, ein fröhlich-beschwingtes, gänzlich friedvolles Wanderlied junger Menschen. Beide Lieder zusammen zeigen, wie groß die Verschiedenheit zwischen den „beiden Welten“ auch im Erleben des Autors und seiner Zeitgenossen schon war.