Verhangener Himmel, Düsternis, Wind, Regen, Kälte. Das ist das Bild, das der Mai in diesem Jahr in unser Gedächtnis gemalt hat. Der Mai an dessen Ende die Südfahrt 2013 stand und in deren Folge eine der größten Flutkatastrophen die Donaustädte Deggendorf und Passau heimgesucht hat.
Doch wie haben die Südfahrer dieses Wochenende erlebt? Ins Wasser gefallen ist die Fahrt doch nur buchstäblich und nicht sprichwörtlich. Und gelohnt hat es sich. Doch beginnen wir von vorne…
Mittwoch, 29. Mai – Ein ruhiger Anfang
Es ist später Nachnmittag als tschani und ich endlich auf dem Hof ankommen. Es bleibt gerade genügend Zeit, um alles für die Ankunft der ersten Gäste vorzubereiten. Die erscheinen schon an diesem Abend in großer Zahl und bestens gelaunt. Für die Verpflegung und auch einen tschai ist gesorgt, so dass schon die erste Nacht von Einigen zum Tag gemacht wird.
Donnerstag, 30. Mai – Der Tag, der dem ganzen Monat die Statistik versauen wollte
Strahlender Sonnenschein, zum Frühstück und während des Packens, verspricht uns, dass Wettervorhersagen gelassen aufgenommen werden können. Nach dem Mittagessen geht es los in Richtung Lippachmühle. Matschige und abschüssige Stellen auf dem schmalen Waldweg bringen die ersten gleich zu Beginn zu Fall. Doch nach dem „Glatten Felsen“, von dem uns eine wunderschöne Aussicht das Lippachtal hinaus geboten ist, geht es schon das letzte rutschige Stück ins Tal hinunter. Unten angekommen hat die kleine Gruppe von Vorauseilern keine Zeit verschwendet und sich direkt in der Mühle eingenistet. Getränke sind bestellt und so gibt es gleich die erste Pause.
Doch nicht lange, denn ein gutes Stück Weg liegt an diesem Tag noch vor uns. Hier beginnen für mich die ersten unbekannten Pfade in Richtung Mühlheim und Donau. Die Lippach, die hier die Größe eines kleinen Flusses hat, windet sich meist in einiger Entfernung, mal unter uns, wenn uns der Weg nach oben an abgebrochenem Schiefer entlang führt. Ein wunderschönes Tal, an dessen Ende Mühlheim mit einer charmanten, ruhigen, auf einer Anhöhe gelegenen Altstadt aufwarten kann. Die vielen Fachwerkhäuser geben ihr ein mittelalterliches Ambiente, in dem wir bei einem letzten Bier das faszinierende Treiben des Himmels beobachten können.
Faszinierend und besorgniserregend zugleich. Daher zieht es uns bald weiter, denn unser angepeilter Platz für die Nacht ist noch ein Stück entfernt und die Kohten wollen auch noch gestellt werden. So kommen wir bald an der alten Kirchenruine oberhalb von Mühlheim an. Sie bietet einen beeindruckenden Anblick, inmitten hoher Waldbäume und keiner Menschen Seele weit und breit. Eine kleine Kapelle ist an der Mauer eingerichtet. Oberhalb sind Bänke in einer halb runden Aufstellung platziert, ähnlich einem Theater der griechischen Antike im ganz kleinen Stil. Sie lässt vermuten, dass dort ab und an noch Andachten und Gottesdienste abgehalten werden.
Freitag, 31. Mai – Der Tag, der dem Mai die Statistik retten sollte
Zum ersten Mal wach gegen 6 Uhr früh, höre ich das Prasseln auf den Kohtenplanen. Was im Schlafsack und in der Kohte noch sehr gemütlich ist, wird beim Abbau gegen 10 Uhr schon etwas kerniger. Doch gibt es in der verfallenen Kirche noch einen kleinen Teil, der überdacht ist und wir müssen nicht alles im Regen packen. So geht es ausgeruht und frisch in den Wald mit Neuhausen ob Eck als ersten Wegpunkt für den neuen Tag.
Dort angekommen, zehn von 28 Kilometern haben wir hinter uns gebracht, gibt es die ersten Ausfälle. Blasen und Wölfe sind mit der nassen Ausrüstung bei Einigen gelaufen und man denkt das erste Mal über einen Transfer direkt zum Hohen Krähen nach. Das wird zwar mehrheitlich abgelehnt, doch nehmen wir das unerwartete Angebot des ehemaligen Burgvogtes der Grauen Reiter, uns bei ihm Zuhause Obdach zu gewähren gerne an und beschließen uns in Gruppen aufzuteilen und unser neues Etappenziel auf getrennten Wegen zu erreichen. So gibt es Sofort-Tramper, die Noch-ein-bisschen-gehen-und-dann-Tramper und eine Gruppe Unerschütterlicher, die die verbliebenen 18 bis 20 Kilometer trotz pausenlosen strömenden Regens tapfer durchzieht.
Als die letzten gegen 19 Uhr nass bis auf die Haut in Aach ankommen, haben die ersten schon begonnen, das Wohnzimmer leer zu räumen und die Gitarren auszupacken und warme Spaghetti stehen für die Neuankömmlinge bereit. 6kg (Trockenmasse) sollen an diesem Abend durch den Kochtopf wandern bevor die letzten nach einem langen Tag in den Schlafsäcken liegen.
Samstag, 1. Juni – Es reißt auf
Nach einem schnellen Frühstück geht es für uns weiter. Ohne Eile und bei temporärer Trockenheit machen wir uns auf zur Quelle von Aach, der größten in Deutschland. Ob es am Regen des vorangegangenen Tages liegt oder der Normalzustand ist- die Wassermenge, die dort an die Oberfläche des Aachtopfes gedrückt wird, ist gigantisch. Das Wasser schafft es kaum in die Radolfzeller Aach zu fließen, um seinen kurzen Weg in Richtung Bodensee anzutreten.
Wir folgen ihrem Lauf ein kurzes Stück und gehen dann in gerader Linie auf den Hohenkrähen zu, den wir seit dem Morgen am Horizont sehen können. Trotz des verhangenen Himmels bleiben wir vom Regen die erste Stunde verschont und müssen nur das letzte Stück den Berg hinauf durch die Nässe bestreiten. Doch dieses letzte Stück wird leicht verschmerzt, denn als wir ankommen beginnt das Schütten, das den ganzen den Nachmittag anhalten wird und das wir aus der gemütlich warmen Stube beobachten können.
Doch werden schließlich – es ist schon früher Abend – noch die wahrhaftig Gläubigen unter uns belohnt. So sind sie es, die draußen stehen und die Wärme der ersten Sonnenstrahlen seit Beginn der Fahrt genießen dürfen, als die Wolkendecke endlich aufreißt…
Sonntag, 2. Juni - Abschied
Wie bei so vielen Fahrten beginnt der letzte Tag bei mir mit dem Gedanken an die neue Woche und den Alltag, in dem man bald wieder stecken wird. Doch ist auch wieder diese tiefe Zufriedenheit dabei. Eine anstrengende, aber wirklich tolle Fahrt geht zu Ende. Und draußen: scheint die Sonne, murkel und mir sei Dank. Man muss eben doch nur daran glauben.
Nach der Abschlussrunde beginnt das Verabschieden. An den Zaun gelehnt, lassen viele den Blick noch einmal in die Ferne schweifen und genießen die wärmenden Sonnenstrahlen im Gesicht.
Und so stehen wir da, die Augen am Hohentwiel vorbei in Richtung Schweiz gerichtet und sind uns einig: Das ist nicht die letzte Südfahrt gewesen.