Auf dem Boden sind etliche Spuren eines großen Lagers zu erkennen. Es hatte wohl geregnet, die Wege sind matschig und ausgetreten. Es müssen viele Zelte gewesen sein. Ich bin ziemlich geschafft, die letzten Tage waren sehr anstrengend…

Etwa fünf Jahre zuvor gingen die Planungen für dieses Großevent der bündischen Szene los. Ich kam recht spät dazu, etwa drei Jahre vor Lagerbeginn. Anschauen wollte ich mir dieses Planungstreffen der verschiedenen Bünde auf der Burg Ludwigstein. Und ich konnte mir vorstellen auch mitzuwirken. Vielleicht im Bereich der Waschstellen. Oder falls nötig bei der Stromversorgung. Ich knüpfte Kontakt zum Trägerverein, der bereits gegründet war und wurde spontan auf die bald stattfindende Vereinssitzung eingeladen. Es dauerte etwa fünf Minuten und ich zeichnete mich verantwortlich für die Waschstellen.

Was braucht man denn für ein Lager mit – sagen wir mal 5000 Teilnehmern an Waschstellen? Ziemlich viele. Bei den ersten Gedankenspielen merke ich schnell, dass es ungewohnte Dimensionen sind und es viele Überschneidungen mit anderen Bereichen gibt. So brauche ich Strom für die Abwasserpumpen, muss Absprachen mit Behörden treffen, brauche einen Zufahrtsweg für Versorgungsfahrzeuge, Sichtschutz, Dixis…

Ich engagiere mich und schnell entsteht der Arbeitsbereich „Infrastruktur“, der neben den Waschstellen auch alle diese Themen umfasst. Ja, ich fühle mich für diesen Bereich verantwortlich. Weitere Verknüpfungen zu anderen Bereichen entstehen: Sanitäter, Stangenholz, Feuerholz, Parkplätze, Lagerbauten, Infojurte, Kommunikation… Auf einer der Bundesführerversammlungen fassen wir diese Aufgabengebiete zusammen unter dem Begriff der „zentralen Lagertechnik“. Ich fühle mich geehrt als man mich in der Bundesführerversammlung zum Leiter der Lagertechnik ernennt. Es ist spannend, sich mit Themen auseinander zu setzen, zu denen ich vorher kaum Berührungspunkte hatte. Die private Arbeitsbelastung steigt deutlich an. Natürlich ist es für mich alleine nicht möglich alle Bereiche im Detail zu planen und so findet sich nach und nach ein tolles, überbündisches Team zusammen. Wir werkeln alle ganz fleißig auf das große Datum im Oktober 2013 hin.

Schon bald merken wir, dass wir uns eine Arbeitsstruktur schaffen müssen. Wir schaffen verschiedene Ressorts in denen Arbeitsbereiche und Verantwortliche benannt werden. In der neuen Struktur arbeitet es sich gleich viel besser, Reibungsverluste werden verringert und Absprachen laufen koordinierter. Das Lager rückt näher und in den Zentren und Foren entsteht parallel das Programm für die Lagertage. Es zeichnen sich tolle Spiele, spannende Diskussionen und aufregende Beiträge ab.

Lagervogt?

Nun haben wir noch etwa ein Jahr Vorlauf für das Lager und die Bundesführer machen sich Gedanken um einen Lagervogt. Auch ich wurde angesprochen ob ich mir nicht vorstellen kann, diesen Posten zu besetzen. Ich lehne dankend ab, denn ich habe mit der Lagertechnik und Infrastruktur genug um die Ohren. „Aber das ist doch genau das, was ein Lagervogt macht…“ sagen sie. „Du hast unsere volle Unterstützung…“ Ich habe mindestens genausoviele Argumente, die dagegen sprechen. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und … es ist ja auch ein tolles Gefühl gewollt zu werden. Aber nicht alleine. Mir ist klar, dass ich diese Verantwortung nicht alleine tragen will. In einigen Telefonaten mit Kani vom Wandervogel Uelzen entscheiden wir, gemeinsam als Lagervogtteam anzutreten - mit einer klaren Aufgabenteilung. Kani übernimmt den Part der Außendarstellung und Öffentlichkeitsarbeit und ich den technischen Teil. Das Programm entsteht in den Bünden, Zentren und Foren, da brauchen wir uns zunächst nur am Rande drum zu kümmern.

Die Zeit beginnt zu rennen. Und sie scheint in Höchstform zu sein, ich komme kaum hinterher. Es wird diesen einen Samstag geben, an dem ich am Vormittag am Rechner sitze und Mails beantworte. Ich habe mir inzwischen angewöhnt die Mails nur noch sehr kurz und knapp zu beantworten oder teilweise einfach nur an die zuständigen Arbeitsbereiche weiter zu leiten. So schaffe ich es, durchschnittlich etwa alle 30-60 Sekunden eine Mail zu bearbeiten. Das scheint mir im Nachhinein als recht schnell. Aber die anderen sind schneller. In der gleichen Zeit trudeln zwei Mails in meinem Posteingang ein. Ich werde am Abend 228 Mails bearbeitet haben.

Im Mai 2013 ergibt sich für uns eine günstige Gelegenheit, eine LKW-Ladung Material für das Lager nach Kassel zu bringen. Dort steht uns ein Teil der Lagerkapazität des VCP-Versandes zur Verfügung. Wir packen diese Gelegenheit beim Schopf und so sind schon einmal ca. vier Tonnen Material ziemlich nahe am Lagerplatz. Das erleichtert uns später den Transport.

Die letzten zwei bis drei Monate vor dem Lager waren für mich eine Erfahrung, die ich nur ungerne noch einmal durchleben möchte. Neben meinem normalen Beruf, der mich acht Stunden am Tag forderte, musste ich sämtliche Hobbys zurückstellen um meiner Verantwortung für das Meißnerlager gerecht zu werden. Kein Instrumentenspiel, kein THW, keine Freunde. Nachts um zwei ins Bett gehen und gegen halbsieben wieder aufstehen – über Wochen zehrt das ordentlich.

Es geht los…

Einen Monat vor Lagerbeginn beginnen wir mit einem kleinen Team in Berlin das Material zu sortieren und auf Paletten zu verpacken. Es ist Wahnsinn, was man für ein Lager solcher Dimension an Material zusammen bekommt. Wir werden einen 12-Tonner haben um alles zu transportieren – ob das alles in einen LKW passt? Eine Woche vor dem Lager beladen wir den LKW, und es wird wirklich knapp. Wir haben uns beim THW einquartiert und können deren Gabelstapler nutzen, was uns die Arbeit sehr erleichtert. Das Verladen erinnert mehr an ein Tetris-Spiel in höherem Level als an einen typisch-bündischen Materialtransport. Zugegeben, es sind auch ein paar ‚Luxusgüter‘ dabei, aber wir werden mit dem Orga-Lager drei Wochen auf dem Platz verbringen, da achten wir schon mal auf Bequemlichkeit und packen lieber noch eine Bierzeltgarnitur mehr ein.

Es geht los: Samstag morgen beginnt unsere Sternfahrt nach Frankershausen. Wie sind nun die ersten sechs Meißnerfahrer auf dem Platz. Jetzt fällt eine riesige Anspannung von mir ab. Im Vorfeld haben wir alles akribischst geplant und versucht an alle Eventualitäten zu denken. Jetzt, wo wir da sind, ist einfach alles so wie es ist. Und wenn wir was vergessen haben, werden wir improvisieren. Aber wir haben so gut wie nichts vergessen. Fast zeitgleich mit uns kommen die Teilnehmer des Bundesführertages des DPB an diesem Wochenende auf dem Lagerplatz an. Das ist für uns eine tolle Sache, denn wir können uns dort mitverpflegen und bekommen auch die eine oder andere helfende Hand gereicht.

Neben unseren eigenen Kohten bauen wir am Wochenende auch schon die Infojurte am Lagereingang auf. Es folgen Wasch- und Kochbereich für das nun entstehende Orgalager und bald können wir uns den Bereichen für die Lagerteilnehmer widmen. Es kommen täglich LKW mit Material, Müllcontainern, Chemietoiletten und Stangenholz an, aber auch viele weitere Helfer.

Der Lagerplatz wird abgesteckt, Wander- und Fahrwege ausgeschildert, Waschstellen aufgebaut und das Wetter beobachtet… wird es halten? Davon hängt viel ab. Es gibt ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept bei dem die Autos die Wiese neben der Straße befahren sollen. Wenn es regnet, wird es schnell schlammig und wir müssten gegebenenfalls den Untergrund befestigen.

Die Gemeinde hat extra für uns in den vergangenen Tagen von der in der Nähe verlaufenden Trinkwasserleitung einen Abzweig zum Lagerplatz gelegt und dort einen Unterflurhydranten installiert. Das passende Standrohr können wir uns ausleihen. Alles ganz unkompliziert – denkt man: Das Standrohr beinhaltet einen Wasserzähler mit einem Querschnitt von weniger als einem Zoll. Damit bekommen wir nur knapp die 12 Wasserhähne im Orgalager versorgt, an die 250 für die zentralen Waschstellen ist aber nicht zu denken. Ein Telefonat und die Wasserwerke bringen uns am nächsten Tag ein neues Standrohr mit größerem Durchlass. Läuft!

Alles verläuft nach Plan und die akribische Planung der letzten Wochen macht sich bezahlt. Wir sind ein tolles Team, jeder hilft jedem und wir kommen gut voran. Mein Arbeitsgerät ist inzwischen ein Funkgerät. Seitdem wir auf dem Hohen Meißner eine Relaisstation aufgebaut haben, können wir alle problemlos miteinander kommunizieren. Das verkürzt die Wege ungemein – macht auf Dauer aber genauso heiser. Am Wochenende vor der „Durchführungsphase“ - so nennen wir den Zeitraum des eigentlichen Meißnerlagers – reisen die ersten Vorbereitungsgruppen der Foren und Zentren an. In der Vorbereitung wurde das Programm in regionalen Foren und Zentren organisiert. Diese finden sich auf dem Lagerplatz dann in einem gemeinsamen Lagergrund zusammen und werden so das Lager mit Leben füllen.

Es läuft so gut, dass wir uns die Zeit nehmen können, auch mal einen Abend in der nahegelegenen Therme zu verbringen. Das entspannt ungemein und lässt uns für kurze Zeit die Arbeit auf dem Platz vergessen.

Endspurt – vor dem Lager

Der Endspurt beginnt. Die Waschstellen stehen und wir können einen ersten Testlauf wagen. Wenn die erste Hälfte der Wasserhähne offen ist, kommt bei der zweiten Hälfte kein Wasser mehr an…Mist! Erneut ein Anruf bei den Wasserwerken: „Da wisse man jetzt auch keine Lösung…“ Doppelmist. Am nächsten morgen sind die Wasserwerke vor Ort und wir beratschlagen die Möglichkeiten. Schließlich werden in den umliegenden Ortschaften die Wasserschieber so umgestellt, dass bei uns am Lagerplatz der Druck spürbar steigt. Das Wasser läuft aus allen Hähnen, so sollte es funktionieren.

Mit den bereits Anwesenden haben wir es nun das erste Mal geschafft das Abwassersammelbecken zu füllen und lassen es das erste mal abpumpen. Die Pumpe springt an und die ersten drei Kubikmeter Abwasser gurgeln durch die 450m lange Schlauchleitung und gehören der Vergangenheit an. Es dauert etwa eine halbe Stunde bis mein Handy klingelt. Der Bürgermeister. Auf dem Bach vor seinem Bürofenster schwimme Zahnpasta, ob die vielleicht von uns kommen könne… Nun ja. Ein Vor-Ort-Termin zeigt, dass uns die Klärwerke nicht die Einleitung in die Kanalisation, sondern in die Regenwasserableitung gezeigt haben. Und diese mündet in den Bach vor dem Büro des Bürgermeisters. Wir müssen die Abwasserleitung etwa 80m verlängern um in die richtige Kanalisation einzuleiten. Schnell wird umgeplant, Schilder vom Bauhof organisiert, Schläuche von der örtlichen Feuerwehr und etwa zwei Stunden später kann nun wieder beruhigt Abwasser abgepumpt werden.

Nun steht die Lagereröffnung kurz bevor und viele bekannte Gesichter sind inzwischen da. Ein Schreiben des örtlichen Ordnungsamtes erreicht mich am Tag vor Lagerbeginn. Darin die Auflagen für unser Lager, die wir zu erfüllen haben. Das ist mal wieder eine Herausforderung. Wir fangen also an die beiden Teiche am Lagerplatz abzusperren, Hinweisschilder aufzuhängen und benötigte Toiletten zu kalkulieren. Alles im Rahmen.

Ich habe gut geschlafen und heute ist der große Anreisetag für die teilnehmenden Gruppen. Es liegt eine gewisse Anspannung in der Luft, ob das Verkehrskonzept aufgehen wird. Die Polizei lässt sich zwischenzeitlich blicken und schaut sich mal bei uns um. Nachdem wir ihnen unsere Infojurte und die „Lage“ mit den ganzen Karten, Pinnwänden und Funkgeräten gezeigt hatten, sind sie begeistert und wünschen uns ein erfolgreiches Gelingen – schief gehen könne aus deren Sicht ja nicht mehr viel.

Und das Lager?

Aufgaben zu verteilen
Nun bin ich schon einige Zeit Lagervogt und weiß um meine Aufgaben. Alles ist geplant - nur der Eröffnungskreis, den hab ich noch nicht durchdacht. Kani und ich sitzen zusammen und uns rauchen die Köpfe. Wir haben ziemlich unterschiedliche Herangehensweisen und Ansprüche an einen solchen Kreis. Wir beschließen, dass das irgendwie auch ok ist und jeder bringt seine Art mit ein. Mit deutlich erhöhtem Puls stehe ich im Kreis und Kani und ich eröffnen dieses geschichtsträchtige Lager. Was für ein Moment. Hier stehen tausende von Bündischen in einem Kreis und Kani und ich sind die beiden, denen die Ehre zu teil wird, dieses Lager zu eröffnen. Wahnsinn.

Das Lagerleben ist nun in vollem Gang und kurze Zeit später meldet sich das Gesundheitsamt an: Der Sachbearbeiter ist ein freundlicher, älterer Herr, der mit Schnipsel und mir durch die Waschstellen schlendert und meint zu sehen, dass wir diese Lager ja offensichtlich öfter machen. Da gibt es nichts zu bemängeln. Wir sind zufrieden. Wir schlendern noch in einer Kurve an der Sanitätsstation vorbei durchs Ostforum zurück zur Infojurte wo wir den Herren wieder verabschieden.

Das Tor zum Meißnerlager
Ich höre viele begeisterte Berichte vom Programm, nur mitbekommen kann ich davon nur wenig. Die Tage sind geprägt von Besprechungen am Morgen mit den Forenvertretern und am Abend mit dem Orgateam. Dazwischen Absprachen, Interviews, Gespräche und Planungstreffen.

Gerne genieße ich die letzten Minuten vor dem zu Bett gehen in einer der zahlreichen Singerunden. Der Charakter der Singerunden ist sehr unterschiedlich. Bei den Mytilanern sitzt man in recht kleiner Runde auf Fellen und genießt Tee, im Musischen Zentrum trifft man auf bündische Party. Die Tage fliegen vorbei.

Freitag findet der Festakt statt. Wieder sitzen die Vögte zusammen und machen sich Gedanken zu den Worten, die wir sagen wollen. Alles nicht so einfach. Wir schlendern zur Bühne und der Platz davor ist schon gut gefüllt. Wahnsinn vor so vielen Menschen zu sprechen. Ein aufregendes und tolles Gefühl. Schätzungen gehen von ca. 4000 Menschen aus. Sensationell.

Notfälle

Der Festakt ist noch in vollem Gang und eigentlich habe ich mein Funkgerät abgegeben um voll und ganz dabei zu sein. Aber es herrscht Unruhe hinter der Bühne und ich werde rangewunken. Im Lagergrund wurden, während alle beim Festakt sind, Hefte verteilt. Wir wissen nicht wer dahinter steckt und können den Inhalt auch nur schwer einordnen. Zunächst gilt es, die Sorge zu bändigen, dass sich Fremde Zutritt zum Lagerplatz verschafft haben könnten. Wir überlegen im kleinen Kreis wie wir damit umgehen. Aus der Infojurte erhalte ich einen Hinweis, dass in dem Heft verbotene, nationalsozialistische Zeichen abgedruckt sind. Handelt es sich womöglich um rechtes Propagandamaterial? Es scheint wohl eher als Scherz gemeint, aber wir wissen es nicht. Und das am Tag des Festaktes, wo es auf dem Platz von offizieller Presse nur so wimmelt. Unser Ruf in der Gesellschaft könnte damit auf dem Spiel stehen. Wir entscheiden uns dafür, lieber den sicheren Weg zu gehen und die Hefte zunächst einzusammeln. Wenn sich herausstellt dass alles ganz harmlos ist, können sie ja wieder verteilt werden.1

Nach dem Festakt bin ich auf dem Weg über den Lagerplatz als mich ein Funkspruch erreicht: „Gerte – wir haben eventuell einen MANV im Südforum…“ Der Begriff stammt aus dem Katastrophenschutz und beschreibt einen MassenANfall von Verletzten. Ein Horrorszenario für jeden Einsatzleiter. „Es haben sich bereits 60 Personen in der Krankenstation mit Erbrechen gemeldet…“ Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Schnell berufen wir eine Besprechung mit allen Entscheidungsträgern ein. Noch ist nicht klar ob es sich um einen sich schnell verbreitenden Virus handelt oder vielleicht „nur“ um eine Lebensmittelvergiftung. Parallel treffen wir Vorkehrungen. Die Toiletten werden desinfiziert, Desinfektionsspender aufgebaut, Trinkwasserkanister aus dem Verkehr gezogen, Nachschub in der Nachtapotheke besorgt… Noch am späten Abend erreicht mich die Entwarnung. Die Betroffenen wurden versehentlich doppelt gezählt und es handelt sich auch nur um das fatale Ergebnis einer Erbsensuppe.

Am Samstag kommt dann der gefürchtete Regen. Es regnet eigentlich den ganzen Tag mehr oder weniger. Spannenderweise gibt es in den Jurten so viel tolles Programm, dass das schlechte Wetter der Stimmung kaum einen Abbruch tun kann. Ich bin bei einem Rundgang gerade in der Südforumsjurte angekommen, wo man aufgrund des lauten Regens kaum der Podiumsdiskussion folgen kann, als das Dach an einer Stelle nachgibt und etwa eine Badewanne voll Wasser auf die Zuhörer ergießt. Die sind erstmal nass. Schmunzelnd verlasse ich das Südforum und muss schon wieder zum nächsten Termin.

Beachtlich wie sich die Wiese wandelt, wenn es einen Tag fast durchgängig regnet. Die Wege sind nun ernsthafte Schlammpisten. Aber morgen ist schon Abreisetag und wir entscheiden uns dazu, den Teilnehmern ihren Schlammspaß zu lassen und uns keinen Kopf um Wegebefestigungen zu machen.

Mit dem Schlusskreis endet offiziell das Lager. Wieder einer der Momente wo ich meinen Puls selber hören kann. Erschöpft und glücklich schließen Kani und ich den Kreis und beenden das Meißnerlager 2013.

Ein erstes Mal Resumé ziehen. Eigentlich ist alles ziemlich gut gelaufen. Aber wir haben keine Zeit für Sentimentalitäten. Umgehend beginnt der Abbau, solange noch genügend Leute zum Anpacken da sind. Es werden alle Hände gebraucht um die vielen Fahrzeuge, die nun alle gleichzeitig zum Platz wollen, zu koordinieren. Die Zelte fallen innerhalb weniger Stunden.

Spuren des Lagers

Auf dem Boden sind etliche Spuren eines großen Lagers zu erkennen. Es hatte wohl geregnet, die Wege sind matschig und ausgetreten. Es müssen viele Zelte gewesen sein. Ich bin ziemlich geschafft, die letzten Tage waren sehr anstrengend.

Nun kommen wieder in kurzen Abständen LKW vorgefahren um containerweise Müll zu entsorgen, Toiletten abzuholen, Material zu transportieren… Am Abend ein toller Abendkreis mit dem Orgateam. Ich erfahre einen Dank, den ich in dieser Situation kaum erfassen kann. Mehrere Jahre Arbeit sind nun in wenigen Tagen an mir vorbei gezogen. Die letzten Handgriffe werden mühsam. Die Anstrengung fordert nun ihren Tribut und wir sind froh, als wir den letzten Müllsack entsorgt haben und die Rückreise in unsere Heimat antreten können. Dort „nur noch“ den LKW entladen und das Material wieder über ganz Berlin verteilen.

Im Nachhinein kann ich festhalten, dass ich froh bin, diese Erfahrung mit einem so tollen Team gemacht zu haben. Wir hatten viel Spaß. Oft wurde gelacht, gesungen und gut gegessen. Aber es gab auch anstrengende Momente mit Diskussionen. Es galt viele verschiedene Interessen unter einen Hut zu bekommen. Die Jungen, die ‚Ihr‘ Lager planen wollten und die Alten, die ihre Erfahrung von 1988 einbringen wollten. Es gab die Interessen von wandernden, gläubigen und Bäume pflanzenden Gruppen zu vereinen.

Anfangs dachte ich, dass schon alles laufen wird. Aber es gibt Situationen, auf die ist man nicht vorbereitet. In diesen Momenten ist es gut, einen Plan aus der Schublade zaubern zu können und wichtig, sich auf sein Team von Leuten verlassen zu können.

Daher mein Rat an den nächsten Lagervogt: Falls Du überlegst, ‚Ja‘ zu sagen, vergewissere Dich vorher, ob Du Partner hast, die mit Dir durch dick und dünn gehen, Ihr Euch vertraut und aufeinander verlassen könnt. Eben richtige Freunde, Brüder und Schwestern, wie es sie vielleicht nur in der bündischen Szene gibt. ‚Lagervogt‘ kann man nicht allein sein!

Was ich für mich von diesem Lager mitnehmen kann ist jede Menge Erfahrung. Ich habe viele andere Gruppen mit ihren Bräuchen kennen gelernt und darüber sind auch handfeste Freundschaften entstanden. Die bündische Szene ist eigen und einmalig. DANKE!

Meißner in Zahlen

3500 Dauerteilnehmer und 500 Tagesgäste, 200 Einsätze in der Sanstation, 256 Wasserhähne, ca. 1400l Diesel, 112 Funkgeräte, ca. 700 PKW-Stellplätze und 120 KFZ pro Stunde am Abreisetag, 16 Reisebusse, 420 Europaletten zur Wegebefestigung, 38m³ Fäkalien, 76m³ Müll, 60km Toilettenpapier, 80m³ Feuerholz, 2500 Kohtenstangen, 84 Chemietoiletten, 750m Starkstromleitung, 400km Shuttledienste pro Tag …

  • 1. Das Heft „Bidet und Verwesung“ , wurde während des Festaktes in den Jurten verteilt. Leider gab es keinen Ansprechpartner für das Heft, so dass wir auf dem Lager kein klärendes Gespräch führen konnten. Den Gerüchten nach war es als eine Satirezeitschrift gemeint und es war wohl der Unwissenheit der Schaffer geschuldet, dass dort verbotene Zeichen verwendet wurden. Da die verwendeten Zeichen ein Offizialdelikt darstellen, hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen. Das Heft wurde nicht wieder ausgeteilt.